25 März 2006

Braincast 26 - Bewusstsein

Mit Braincast 26 werden die Fragen groesser: Welchen Job hat das Bewusstsein? Welche nicht? Was ist es ueberhaupt und - nutzen wir es tatsaechlich? Erwarten Sie keine finalen Antworten, eher einen Ueberblick ueber den Stand der Dinge.

In der Gehirn & Geist 3/2006 findet sich ein Artikel ueber Neurogenese - die Bildung neuer Gehirnzellen auch im Erwachsenengehirn. Frau Lessmoellman gibt uns einen Ueberblick.

Das Bewusstsein beginnt ganz wunderbar mit Nomads Theme von satYa, wird schoener mit Westerneast von Scott Helm, geht weiter mit Lipstick von Retail, Beautiful You von Jakit Patrick und endet - der Verwirrung ueber das Bewusstsein angemessen - mit Down The Drain von Dave From Chub Creek.



MP3 File


DAS BEWUSSTSEIN NACH PAUL CHURCHLAND
Der Philosoph Paul Churchland beschreibt in seinem Buch "Die Seelenmaschine" die Facetten des Bewusstseins sehr treffend - die Kommentare sind von mir:

Bewusstsein ...

... erfordert ein Kurzzeitgedaechtnis - um durchs Leben zu navigieren, braucht das Bewusstsein einen Kontext von wo und was, der einen zeitlichen Rahmen umfasst. Dieser wird vom Kurzzeitgedächtnis geliefert

... ist unabhaengig von der aktuellen Wahrnehmung, denn es kann sich Dinge vorstellen - Gedanken sind frei und nicht an die Realitaet gebunden. Besonders die Fantasie macht den Menschen zum Menschen. Doch dieser Punkt kann auch mehrere Simulationen einer Problemloesung gedanklich durchspielen und auf ihre Effekte überpruefen

... beinhaltet die Steuerung der Aufmerksamkeit - Das mag uns oft nicht so vorkommen, wenn wir uns gedanklich verhakt haben, aber wir koennen tatsaechlich unsere Aufmerksameit auf einen ganz anderen Punkt richten

... kann unscharfe Fakten interpretieren - Das bezieht sich nicht nur auf das "filling-in", wie wir es bei der Wahrnhemung gesehen haben, sondern auch auf Statistiken und politsche Reden. Das allerdings erfordert schon hoehere Weihen der Intelligenz

... verschwindet im Tiefschlaf - aber kommt dannach wieder zum Vorschein. Es ist also auch konsistent gegenueber Unterbrechungen, ein Teil von Edelmans "reentranten Prozessen"

... bewegt sich durch Traeume - was wir bei intensiven Traeumen am naechsten Tag merken, der oft noch unter dem emotionalen Eindruck des Traumes steht

... kann mehrere sensorische Erfahrungen zu einer Erfahrung zusammenfassen - Bewusstsein behaelt den Ueberblick ueber mehrere Ereignisse, im kleineren - wie einer Achterbahnfahrt - und im groesseren Kontext von Beruf oder Beziehung. Hier zeigt sich dann auch, welchen Nachteil das System hat, denn es neigt zur Vereinfachung schert gerne ueber einen Kamm

... kann Bedeutung verleihen - Das ist einer der menschlichsten und merkwuedigsten Aspekte des Bewusstseins - hier wird es sehr subjektiv. Fuer jeden Menschen ist etwas anderes bedeutend, auch wenn sich Bedeutungen oft ueberlappen

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Mir erscheint das alles als unkritische zusammenstellung gänger literatur und adhoc-meldungen etwas zu fad. ähnlich wie im business kann zwar jeder erklären, wie ein geschäft zu führen ist, aber nur wenige können es und wer von denen machts dann letztendlich?

Zuviele oberflächliche erkenntnisse werden durch die vielen prestige süchtigen schreiberlinge... (ich glaube, man nennt die wissenschaftler) ...in explizites wissen gepresst. Da braucht man eher Kritik, als Update's.

Und was nietzsche angeht. er hat recht, es gibt zuviel idioten, zuviel zauberer und niemand hat das werk als ziel.

by the way ein paar fragen, die ich beantwortet haben möchte, auch wenn nur mit einer wahrscheinlichkeitsangabe im sinne einer fuzzy logic.

Wie führt jemand einen inneren Dialog, der noch gar keine Sprache erlernt hat?

Wäre sich jemand seines selbst bewußt, der sich noch nie selbst wahrgenommen hätte (gesehen/gehört/gefühlt)?

Gibt es einen eigenen Willen? (warum hebt man eine Hand gerade jetzt und nicht z
u einem anderen Moment, zwei Sekunden später?)

Warum soll eine Fliege keinen eigenen Willen haben?

nun will ich mich doch selbst noch als Schreiberling betätigen. Mal sehn, wie lange das Bestand hat.

Es ist im Grunde ein Entscheidungsproblem, das zwischen einem gewissen Input und einem Output stattfindet. Ich nehme wahr und kann alternativ aktiv werden, also bin ich.

Jede Weisheit, die älter als 1000 Jahre uns bekannt existiert, geht davon aus, daß in jedem Wesen ein ich steckt. Ob das dann über Hirnmatrizen ferngesteuert, per Seelenspuk bewohnt oder einfach nur postuliert so ist, kann gern in einem der nächsten Cast's aufgeklärt werden, aber es wird sich wohl der Tatsache des Willens nicht verschließen können.

Das Denken ist ein übel, was man u.a. der Rasse Mensch verpaßt hat. Jeder Bewohner auf diesem Planeten hat seine eigene Gabe, damit wir sie im Ernstfall zusammen einsetzen können. Man soll mich aber bitte nicht fragen, wofür oder wogegen. Im Nietzschen Sinne aber höchstwahrscheinlich nicht für das eigene Glück.

In diesem Sinne.

Arvid Leyh hat gesagt…

Hi Red!

Zuerst der übliche Hinweis: bei direkten Fragen ist es sinnvoller, mich anzumailen, weil ich hier kaum vorbeischaue. Lob und Veriss sind im Blog dagegen gut aufgehoben.

Dann musste ich mich an Deinen Ton gewöhnen - er motiviert mich nicht zu einer Antwort. Aber die Fragen sind gut.

Innerer Dialog: Ich habe von einem Fall von Sprachausfall gelesen, bei dem der Patient mit der Zeit festgestellt hat, dass er auch ohne Sprache auskommen kann. Was für Gesunde wohl kaum vorstellbar ist. Aber da ist auch die Aussage von Einstein, dass in seinem Denken die Sprache kaum eine Rolle gespielt habe ...

Selbstbewusst ohne Selbstwahrnehmung: Vermutlich nur bis zu einem rudimentären, körperlichen Grad, wenn ein Stammhirnreflex die Hand aus dem Feuer rettet. Aber in Deinem Gedankenexperiment ist der Ausfall im Selbstbewusstsein noch das kleinere Problem.

Freier Wille: Gibt es einen eigenen Braincast zu: Episode 13. Ganz schön ernüchternd.

Fliegenwille: Nach der 13 wirst Du Dich vielleicht fragen, ob Du einen hast. Wenn er sich tatsächlich auf eine reine Impulshemmung beschränkt - da ist bei der Fliege nicht viel zu holen.

Übrigens sind die Wissenschaftler, die ich kenne, gar nicht so übel. Nur ihre Antworten gefallen uns gerade nicht.

Anonym hat gesagt…

Zur Theorie of Mind:
Kann man umgedreht beweisen ob ein Gehirnareal kein Bewusstsein hat? Bei Split Brain Patienten haben schließlich die beiden getrennten Gehirnhälften auch beide ein getrenntes Bewusstsein (http://www.logic.at/lvas/185170/20-Kirchmayr.pdf). Blos, weil ein Gehirnareal keinen Einfluss auf das, was wir uns merken und das, was wir anderen mitteilen hat, heißt das doch nicht, dass diese "unbewussten" Areale kein Bewusstsein haben?

Gibt es eigentlich eine Möglichkeit die Kommunikation zwischen rechter und linker Hirnhälfte so zu stören, dass man sich vorrübergehend wie ein Split Brain Patient fühlt?

Arvid Leyh hat gesagt…

Hallo Herr W.!

Zuerst die Frage aus Ihrer Mail: 82 ist nicht die letzte Episode ever, es ist nur so, dass da draussen Ferien sind und ich die nächsten acht Wochen nur vier Episoden mache.

Hier die anderen Antworten, relativ kurz und vermutlich auch zu kurz, denn wir führen hier im Grund eine Diskussion - finale Antworten gibt es bisher noch nicht.

Es sind nicht die Gehirnareale, die Bewusstsein haben. Es ist auch nicht die Frage, ob Gehirnareale Bewusstsein "produzieren". Es ist vielmehr die Frage, welche Prozesse im Gehirn bei "uns" ankommen. "Wir" sind in diesem Fall auf das Grosshirn beschränkt, wenn limbische Prozesse nicht nach oben gereicht werden, bekommen wir vieles gar nicht mit.

Dass die - in Ihrer Formulierung – unbewussten Areale kein Bewusstsein haben, ist gewagt ausgedrückt, aber ein lustiger Gedanke. Gegenfrage: Wie viel Bewusstsein hat Ihre Leber?

Die Tiefschlaffrage aus der Mail hebe ich auf für eine Schlafepisode, aber vorab: Bewusstsein zeichnet sich durch Kontinuität aus: Sie wissen nach dem Aufwachen meistens, wo und wer Sie sind, auch was gestern war, aber nicht, was vor drei, vier, fünf Stunden war ...

Mir bekannt sind nur zwei Möglichkeiten, eine Hemisphäre abzuschalten, und das macht man nicht zuhause in der Küche. Allerdings: Split Brain Patienten fühlen sich vermutlich nicht anders als Sie und ich.

Und hier auch gleich den Willen kommentiert: Ihre Aussage ist ziemlich Newton, da dürfte es auch keine "spukhafte Fernwirkung" geben. In Ihrem Einsteinzitat zitiert er übrigens Schopenhauer. Und auch hierfür gibt es eine Quelle: die fantastischen Vier :)

Viele Grüße!
Arvid Leyh

Anonym hat gesagt…

Hallo Herr Arvid Leyh,
Wenn nicht die Gehirnareale ein Bewusstsein haben woher kommt dann ein Bewusstsein? Gibt es einen bestimmten Ort, an dem das "Ich" existiert, wenn das beim Bewustsein nicht so ist?

Zu den Split Brain Patienten:
Ich meinte ob es möglich ist die Gehirnhälften vorrübergehend zu trennen, sodass man zwei Bewusstsein hat (auf http://www.logic.at/lvas/185170/20-Kirchmayr.pdf bei 6.2 steht, dass Split Brain Patienten scheinbar zwei Bewusstsein haben und auch verschiedene Meinungen).
Könnte jemand, den man vorrübergehend zu einem Split Brain Patienten macht, sich an die Erlebnisse von beiden Gehirnhälften chronologisch erinnern?

"Spukhafte Fernwirkung" wurde experimentell bewiesen, also muss sie physikalisch erklährbar sein der Freie Wille nicht. Woher soll die Freiheit im Gehirn kommen, es besteht auch nur aus Materie?

Mit freundlichen Grüßen, Herr W.

Arvid Leyh hat gesagt…

Hallo Herr W.!

Wenn ich die Bewusstseinsfrage beantworten könnte, bekäme ich vermutlich einen Nobelpreis in spekulativer Neurologie.
Auch einen Ort für das Ich gibt es nicht/ist bisher noch nicht gefunden. Die Frage ist eher, ob es überhaupt existiert. Was Sie als Kritiker des freien Willens vielleicht nicht verwundert. Ich empfehle das gleichnamige Buch: Ich, besprochen bei den letzten Brainbooks, Episode 75 (vielleicht auch 55).

Auch die Split-Brain-Frage ist hochspekulativ. Mir jedenfalls ist keine entsprechende Technik bekannt, die das simulieren könnte.

Viele Grüße!
Arvid Leyh

Anonym hat gesagt…

Hallo Herr Arvid Leyh,
Zum Ich:
Ich, als Kritiker des Freien Willen, glaube schon, dass das Ich existieren muss, weil man ja bemerkt, dass man ein Ich hat. Ich denke nicht, dass das Ich, wie in Braincast 1 vermutet, reine Illusion ist, weil ich denke, dass man ein Ich braucht um sich diese Illusion machen zu können.
Wie sollte man sich ohne Ich vorstellen, dass man ein Ich habe?

Den Freien Willen kann man sich auf der Grundlage des Ichs vorstellen und man bemerkt ja auch oft, dass man ihn nicht hat (zumindest ich), z. B. wenn man nach einem Gedanken zurückdenkt, warum man es so gedacht hat, bemerkt man, dass man es nicht anders hätte denken können. Wenn man nach einer Entscheidung, die man später schlecht findet, zurückdenkt warum man sich so entschieden hat bemerkt man ja auch (zumindest ich) dass man sich nur so entscheiden konnte, weil man bestimmte Dinge nicht wusste.
Bei bestimmten Situationen, z. B. wenn man etwas sieht, denkt man ja auch ungefähr wieder den gleichen Gedanken, also kann man nicht frei denken.

Arvid Leyh hat gesagt…

Vielleicht hier zur Klarstellung: Ich weiß auch nicht, ob das Ich eine Illusion ist, oder nicht. Daher vermute ich es in Braincast eins auch nicht, sondern will deutlich machen, dass einflussreiche Kreise der Forschung es vermuten.

Das gilt übrigens auch für diverse andere Inhalte: ich versuche den Diskussionsrahmen abzustecken, nicht zu sagen, wie es ist. Dazu glaube ich zu sehr an den neurologischen Konstruktivismus. Aber auch über´s Ich soll´s noch was geben, ich dachte an Episode 100, vielleicht.

Anonym hat gesagt…

In Braincast eins hatten Sie kurz gesagt, dass einige Forscher vermuten, dass das Ich reine Illusion sei (0:57).
Ich finde es sehr gut, dass es eine Episode über das Ich geben soll und auch, dass Braincast doch noch weiter gehen soll, weil Sie in Braincast 83 am Anfang (0:36) gesagt hatten "Zum Anfang vom Ende nenne ich auch die Nummer der Episode".